Die Zeit für Immobilien ist vorbei? Von wegen!

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„Experten erwarten Preissturz am Immobilienmarkt“, „Trotz hoher Inflation sinken die Preise für Immobilien“, „Wohnimmobilien: Das Ende des Preisbooms ist da“ und „Immobilienpreise: Das Ende der Höhenflüge“. Diese und weitere Überschriften liest der geneigte Leser dieser Tage beinahe im Stundentakt. Und tatsächlich: Die Preise für Immobilien sind in den vergangenen Monaten spürbar gefallen, je nach Lage um bis zu 25 % oder sogar noch mehr.

Nun könnte man anführen, Totgesagte würden länger leben – aber das greift zu kurz. Immerhin ist die Stornierungswelle von Neubauprojekten kein Mythos, sondern Realität. Im Jahr 2024 könnte das staatliche Wohnbau-Ziel von 400.000 Wohnungen inklusive 100.000 Sozialwohnungen laut einer Studie der DZ Bank mit nur 200.000 Wohnung weit hinter den – zugegebenermaßen sehr ambitionierten – Zielen der Bundesregierung zurückblieben.

Und doch: Immobilien sind immer noch eine gute Geldanlage – diese Form der Geldanlage ist nur nicht mehr zum Nulltarif zu haben. Wer ohne Eigenkapital, ohne Know-How und ohne ausgezeichnete Bonität eine Immobilie finanzieren wollte, der hat das im Jahr 2021 noch geschafft – im Jahr 2022 funktioniert das nicht mehr. Warum aber sind Immobilien trotz allem, oder vielleicht gerade jetzt ein top Investment? Ganz einfach: Eine ganze Reihe von Gründen spricht dafür.

1. Die Mieten steigen kontinuierlich weiter

Wer Immobilien nicht nur zum Aufwerten und / oder Weiterverkaufen erwirbt, der wird – abgesehen vom Eigennutzer – die Immobilie wohl vermieten. Während in süddeutschen A und B Lagen Preissteigerungen von rund 90 bis über 100 Prozent in den letzten 11 bis 12 Jahren vorherrschten, haben die Mieten in dieser Zeit nur um rund 50 % zugelegt. Hier ist noch Luft nach oben! Das dürfte künftig für steigende Renditen am Immobilienmarkt sorgen, sofern Eigenkapitel vorhanden ist.

Die steigenden Mieten werden von mehreren Faktoren unterstützt. Zum einen sinkt das Angebot an Wohnungen auf Grund der Stornierungen im Neubau und der enormen Preissteigerungen bei Bauprojekten. Quadratmeter-Preise von rund 7.000 Euro sind in beliebten Ballungsgebieten keine Seltenheit mehr. Wer hier nicht mehr kaufen kann, der muss eben mieten. Des Weiteren ist noch gar nicht abzusehen, welche Auswirkungen die Flüchtlingsströme aus der Ukraine und anderen Krisengebieten auf den Mietmarkt haben werden. Medienberichten zufolge suchen einige Kommunen bereits händeringend nach Wohnraum und mieten diesen zum Teil zu deutlich über dem Marktpreis liegenden Preisen an, um die Lage überhaupt noch beherrschen zu können.

Ein wichtiger Treiber für die Mieten ist zudem die Inflation. Indexmietverträge waren in den letzten Jahren eher selten anzutreffen und nicht sehr beliebt – aktuell dürften diese Mietverträge aber wieder häufiger anzutreffen zu sein. Zwar sorgen hohe Nebenkosten für Wärme und Strom für ein geringeres Budget an Kaltmiete – dieser Effekt dürfte jedoch nur von kurzer Dauer sein. Erstens sinken Gas- und Strompreise bereits seit Wochen wieder auf ein halbwegs akzeptables Niveau, zweitens dürften sich viele Verbraucher bereits an die höheren Lebenshaltungskosten im Energie- und Wohnbereich gewöhnt haben.

Steigende Mieten sind vor allem für eigenkapitalstarke Investoren ein gewichtiges Argument für Immobilien. Aber auch Kleinanleger und Privatinvestoren sollten die womöglich noch stark steigenden Mieten in beliebten Ballungsräumen in ihre Finanzierungsrechnung mit einfließen lassen.

2. Zu wenig und falscher Neubau

Der Preis wird am Markt durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Die jüngsten Preisrücksetzer dürften vor allem auf eine Abschwächung auf der Nachfrageseite zurückzuführen sein, die aus einem deutlich negativeren Zinsumfeld resultiert. Zum Vergleich: Bei 2 % Tilgung p.a. sorgt ein Anstieg von 1 % Hypothekenzins auf 4 % für eine Verdopplung des monatlichen Kapitaldienstes. Mit anderen Worten: Beim aktuellen Zinsniveau können sich weniger Menschen eine Immobilie leisten.

Andererseits sorgt die Inflation auch für ein extrem schwächer werdendes Angebot. Neubau-Wohnraum ist aktuell kaum noch finanzierbar, da der Baupreisindex durch die Decke schießt. Rund ein Drittel aller im Bausektor tätigen Unternehmen rechnen mit einer rückläufigen Auftragslage im kommenden Jahr. Das schwindende Angebot an Immobilien sorgt dafür, dass die kleiner werdende Käufergruppe auch auf ein kleiner werdendes Angebot trifft.

Noch gravierender als das Problem des fehlenden Neubaus ist aber das Problem des bereits existierenden Neubaus – denn der befindet sich nicht selten an „suboptimal“ angebundenen Lagen. Und das ist wenig verwunderlich! In dicht bebauten Städten ist schlicht und ergreifend kein Platz für gigantische Quartiere und Neubau-Bunker – kleinere Objekte lohnen sich für Bauträger aber oft nicht. Entsprechend entstand in den letzten Jahren Neubau vor allem dort, wo der Grund billig und die Baugenehmigung vorhanden war. Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel? Lebenswerte Mikrolage? Zentraler Baugrund? Alles Fehlanzeige. Dieser Neubau befriedigt nicht die Nachfrage nach Wohnraum in Ballungsgebieten, weil er auf Grund der tatsächlichen Lage längst nicht mehr die Vorteile des Ballungsraums bietet, gleichzeitig aber wie ein solcher bepreist wird.

3. Zins, Inflation und Weltwirtschaft

Der größte Preisdämpfer für Immobilien war in den letzten Monaten die Zinspolitik der US-Notenbank „Federal Reserve“, auf deren Spuren die Europäische Zentralbank seit Jahr und Tag wandelt – mit ordentlich zeitlichem Versatz. Aus Angst vor einer lange anhaltenden Rekordinflation, kombiniert mit einer stagnierenden Weltwirtschaft (kurz: „Stagflation“), wurden die Zinsen in den letzten Monaten stärker erhöht als jemals in der Geschichte. Diese Zinsentwicklung war so extrem, dass selbst die extremsten Szenarien im Banken-Stresstest des Deutschen Bundesbank keinen so starken Zinsanstieg antizipiert hatten.

Aber was passiert, wenn Öl, Glas und Strom weg von den Investment-Preisen gehen und vom Markt wieder entsprechend dem tatsächlichen Angebot und der real existierenden Nachfrage auf dem Weltmarkt bepreist werden? Richtig: Die Preise fallen. Fallende Energiepreise bedeuten in diesem Kontext auf Grund der enormen Bedeutung der Energiekosten innerhalb des Inflations-Warenkorbs eine massiv sinkende Inflation – was im Endeffekt den Druck für weitere Zinserhöhungen mindert.

Gleichzeitig bergen die stark steigenden Zinsen auch enorme Risiken. Länder wie Italien oder Spanien, die hoch verschuldet sind, können sich auf dem aktuellen Zinsniveau kaum noch risikoarm verschulden. Gleichzeitig sinkt die Bereitschaft der Unternehmen in der Eurozone, zu investieren. Die seit der Corona-Pandemie noch immer gestörten Lieferketten machen es der Wirtschaft zudem schwer, die gestiegenen Produktionskosten zu kompensieren. Sollte sich die Wirtschaft in der Eurozone weiter abkühlen, könnten Zinssenkungen irgendwann der einzige Weg aus einer waschechten Rezession sein.

Fazit: Immobilien sind noch lange nicht tot

Wer Immobilien jetzt als Investment abschreibt, macht möglicherweise einen Fehler. Ja, die Preise können noch weiter fallen. Ja, der Preisverfall der letzten Monate ist real. Aber sind Immobilien als Kapitalanlage deshalb jetzt nicht mehr möglich? Weit gefehlt. Gerade jetzt sind Verkäufer bereit, ihre Preisvorstellungen, die 2021 noch Realität gewesen sein mögen, nach unten zu korrigieren. Wer Eigenkapital mitbringt, eine gute Bonität vorweisen kann und ein gutes Händchen für Verhandlungen mit Verkäufern hat, der kann gerade jetzt echte Schnäppchen ergattern.

Vorbei ist die Party aber vor allem für die, die sich ohne ausreichende Bonität und ohne Eigenkapital verschuldet haben. Wenn die oft nur 10 Jahre dauernde Zinsbindung ausläuft und die Nachfinanzierung statt mit 1 % dann mit 5 % Zinsen erfolgen muss, kann die Immobilie schnell zum Grab für die eigene Finanzplanung werden. Dann hilft oft nur noch ein Notverkauf – möglicherweise an jemanden, der auf Grund besserer Kapitalausstattung dann einen Schnapper machen kann.

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